Teeplantagen von Chá Gorreana auf Sao Miguel

Die letzten Teeplantagen Europas auf São Miguel

Wer auf die Azoren reist und die lange Anreise in Kauf nimmt, möchte möglichst viel erleben. Glücklicherweise gibt es auch jede Menge zu sehen und zu entdecken. Am besten lernt man das Archipel bei einer Rundreise kennen, aber man kann sich beim Azoren Urlaub auch für nur eine Insel entscheiden um diese über längere Zeit zu erkunden. Die größte der neun Inseln, São Miguel, hat für die Besucher auch genug zu bieten um sich mindestens zwei Wochen mit dem Mietwagen und zu Fuß auf der Insel zu bewegen. Am Ende wird man trotzdem nicht alles gesehen haben. Zu den Highlights, die man auf keinen Fall verpassen sollte, gehört in jedem Fall die letzte traditionelle Teeplantage Europas: Chá Gorreana.

Die letzte ihrer Art: Plantações de Chá Gorreana

Ihr voller Name ist Plantações de Chá Gorreana, aber die Einheimischen sagen schlicht Gorreana oder Chá Gorreana zu ihr. Auf 32 Hektar wächst und gedeiht hier der Tee, der einst eines der beliebtesten Exportprodukte der Azoren war. Sie ist die älteste und zeitgleich letzte Teeplantage des Archipels und in ganz Europa. Zwar werden in Großbritannien kleine Teefelder gepflegt, die Plantagen auf São Miguel verfahren jedoch noch nach alter, traditioneller Manier und sind damit einzigartig. Sie haben eine lange und teils sehr schwere Geschichte hinter sich, von der man bei einem Besuch jedoch kaum etwas spürt.

Pro Jahr werden, laut der offiziellen Webseite rund 33 Tonnen grüner sowie schwarzer Tee produziert. Dazu kommen noch weitere Versionen und Infusionen. Es gibt mehrere Ernten im Jahr, zwischen April und September, in einem guten Jahr kann es bis zu zwölf Pflückungen geben. Die erste davon wird jedes Jahr im Frühjahr nach wie vor in klassischer Tracht der Insel und per Hand durchgeführt, alle weiteren mit einer Art Rasenmäher, die man per Hand über die Reihen an Büschen zieht. Die weitere Verarbeitung verläuft aber noch traditionell, wie in alter Zeit, was den Tee so besonders macht. Aufgrund der einmaligen geographischen und biologischen Situation der Azoren werden beim Anbau keinerlei Herbizide, Pestizide, Fungizide oder Farb- oder Konservierungsmittel benötigt, was den Tee auch zu einem beliebten Bio-Produkt im Ausland macht. Der Großteil wird aber auf dem Archipel selbst getrunken.

Die Geschichte vom Azorentee

Vor ziemlich genau einhundert Jahren, in den 1920ern, gab es auf São Miguel 62 Teeplantagen und insgesamt zehn große Teefabriken, die die Ernte verarbeiteten und die Delikatesse ins Ausland verkauften. Doch bereits weniger Jahrzehnte später änderte sich die Nachfrage drastisch. Die Folgen des zweiten Weltkriegs waren deutlich zu spüren und die Globalisierung der Wirtschaft auf dem Vormarsch, weshalb die preisgünstigere Konkurrenz aus anderen Ländern die Azorentee vom Markt vertrieben. Heute findet man nur noch die Plantage und Fabrik von Chá Gorreana am Rande der Hauptstraße im Nordosten der Insel. Unweit entfernt steht außerdem noch die Fabrik Porto Formoso, die allerdings immer wieder für längere Zeit geschlossen wird und leider auch nicht die gleichen beeindruckenden Teeplantagen auf angrenzenden Hügeln aufweisen kann, aber dennoch einen Besuch wert ist, vor allem wenn man sich gerne abseits der gängigen Touristenwege aufhalten möchte.

Die Geschichte der Plantações de Chá Gorreana begann 1883 mit Ermelinda Gago da Câmara und ihrem Sohn, die sich entschieden in Tee zu investieren, ihn anzubauen und zu verkaufen. Gut 130 Jahre später ist die Plantage nach wie vor im Familienbesitz, geleitet von ihrer Matriarchin Bertha Meireles-Hintze, die 2012 die  Verdienstmedaille in São Miguel für ihr Engagement für den Erhalt von Gorreana erhielt. Zurecht, denn es war nicht immer leicht. Nicht umsonst gaben alle anderen Plantagenbesitzer nach und nach auf, während Gorreana sich hielt und als Familienunternehmen immer weiter kämpfte.

Ein Besuch auf der Teeplantage Chá Gorreana

Der Geruch von Tee ist überwältigend, wenn man die Fabrik betritt und die blühenden Blumen, die das Anwesen säumen leuchten vor der Kulisse der grünen Teefelder und dem tiefblauen Meer. Es rattert und duftet und alle Sinne sind sofort gefordert. Die antiken Maschinen sehen aus wie in einem Museum, sind jedoch ausnahmslos alle noch in Betrieb. Die originalen Marshall-Maschinen sind in makellosem Zustand und das obwohl sie beinahe das gesamte Jahr über Tee produzieren. Besuchern ist es gestattet durch die Anlage zu streunen, tief einzuatmen und die Arbeiter zu beobachten, während sie von Hand und mit viel Hingabe den Tee von einer Maschine zu anderen transportieren, ihn sortieren und abpacken. In den Räumen im Obergeschoss und im Keller, die leider nicht für Touristen zugänglich sind, finden sich außerdem zwei weitere wichtige Schritte in der traditionellen Teeherstellung. Die Trocknung des Tees in extra dafür hergestellten Holzapparaturen findet oben statt, im Untergeschoss werden die Blätter, welche zu schwarzem Tee verarbeitet werden, der Luft ausgesetzt um zu oxidieren und zu fermentieren. Anschließend wird er in den Haupträumen getrocknet und weiterverarbeitet. Der grüne Tee hingegen durchläuft keine Fermentation sondern wird stattdessen mit Dampf behandelt und im Anschluss nach der Hysson-Methode gerollt und getrocknet.

In einem Vorraum gibt es außerdem einen informativen Film darüber, wie der Tee auf die Azoren kam und wie genau sich die Fabrik Chá Gorreana entwickelt hat. Das Highlight ist jedoch der kleine Shop, in dem man kostenfrei jede der von der Fabrik hergestellten Teesorten probieren darf.  Die vier wichtigsten Sorten im Sortiment sind der Grüntee sowie die Schwarzteevarianten Orange Pekoe, Broken Leaf und Pekoe. Mittlerweile gibt es aber auch ausgefallenere Sorten, Mischungen und Infusionen, zum Beispiel Jasmin, weißen Tee oder Zitronenverbene. Zum Tee sollte man außerdem die ebenfalls vor Ort hergestellten Teekekse, Eiscremesorten und Gebäckstücke probieren. Nach der Verkostung kann man den Lieblingstee auch vor Ort erwerben und somit das perfekte Souvenir für die Lieben daheim einpacken.

Im Anschluss sollte man auf jeden Fall noch die wunderschönen Plantagen selbst erkunden. Ein ausgiebiger Rundwanderweg führt für circa eineinhalb Stunden und auf einer Länge von dreieinhalb Kilometern durch die grün bewachsenen Hügel.

Es ist die Vielfalt, die die Azoren und São Miguel so besonders machen. Spektakuläre Landschaften, aktive Vulkane, der wilde atlantische Ozean und eben auch eine einzigartige Teeplantage.